Höchster Kreisblatt vom 29.01.2009


Demo für die Englischlehrerin – Keine Antwort aus Wiesbaden


Schüler der Robert-Koch-Schule zogen gestern durch die Fußgängerzone in der Königsteiner Straße. Sie wollen, dass Patricia Schütze ihre Englischlehrerin bleibt.
Foto: Maik Reuß





Höchst. Das haben die Passanten noch nicht gesehen: Schüler, die mit Plakaten und Megafonen durch die Königsteiner Straße zogen. «Wir wollen Frau Schütze», rufen die Kinder laut, so dass immer mehr Passanten neugierig stehenbleiben oder ihre Köpfe aus den Geschäften recken.

Aufmerksamkeit erregen – das ist genau das, was die Schüler der Robert-Koch-Schule möchten. Seit rund einer Woche demonstrieren sie täglich für ihre Englischlehrerin Patricia Schütze, die aus Gehaltsgründen morgen die Schule verlassen möchte. Vor rund zwei Jahren angefangen als Vertretungslehrerin von «Unterrichtsgarantie plus», hat die gebürtige Kanadierin seit Beginn dieses Schuljahres aufgrund einer längeren Krankheit der bisherigen Englischlehrerin einen befristeten BAT-Vertrag, der die Pädagogen nach ihren absolvierten Ausbildungen in entsprechende Gehaltsstufen einstuft. Für Patricia Schütze, die keine studierte Lehrkraft ist, sich aber dennoch mit großer Begeisterung und einem enormen Zeitaufwand für ihre insgesamt fünf Klassen einsetzt, ist dies ein viel zu geringes Gehalt (wir berichteten).

Als die Schüler davon erfuhren, waren sie sich sofort einig, initiativ zu werden, anstatt der Bürokratie ihren Lauf zu lassen. Seit einer Woche gehen sie in jeder Englischstunde auf die Straße und tun ihrem Unmut kund. Auch gestern demonstrierten wieder vier Klassen und zogen vom Justinusplatz über die Fußgängerzone zur Robert-Koch-Schule.

«Frau Schütze ist hart aber fair. Wir wollen weiterhin alles versuchen, sie als Lehrerin zu behalten», sagt die zwölfjährige Chiara, bevor sie wieder in ihr kleines Megafon ruft. Traurig wäre auch ihre Klassenkameradin Hannah, wenn Patricia Schütze die Schule verlassen würde. «Wir lernen bei ihr so viel, weil sie so gut erklären kann», findet die Zwölfjährige.

Ebenso wie die Schüler ist auch Manuela Lauber vom Elternbeirat aufgrund der täglichen Demonstrationen und lauten Rufe allmählich ein wenig heiser. Dennoch ist sie begeistert von dem Engagement und der Hartnäckigkeit der Schüler und vieler Eltern. «Die Reaktionen, die wir auf unsere Proteste bekommen, werden immer mehr. Wir werden von allen Seiten angesprochen und genau das ist es, was wir erreichen wollen: die Öffentlichkeit sensibilisieren», berichtet Manuela Lauber. So kam gestern ein Vater einer Schülerin der Robert-Koch-Schule auf sie zu und fragte, ob es bereits eine Unterschriftenliste der Eltern gäbe, in die er sich eintragen könne. «Ich finde es toll, dass sich die Schüler für ihre Lehrerin einsetzen. Das gibt es wahrscheinlich nicht sehr oft», glaubt der Familienvater.

Auch Thomas Reichert steckte gestern, neugierig gemacht von den lauten Rufen der Schüler, seinen Kopf aus seinem Fleischereigeschäft in der Fußgängerzone. «Natürlich steht die rechtliche Lage, die eben in unserem System Bewertungsgrundlage ist, kontrovers zur sicherlich verständlichen emotionalen Lage», so der Inhaber von Haxen-Reichert. Allerdings zeigte er sich erstaunt, dass Patricia Schütze nach dem derzeitigen Erlass umgerechnet lediglich acht Euro netto die Stunde bekommt. «Da verdient ja ein Fleischereiverkäufer mehr.»

Um eine einvernehmliche Lösung bemüht sich weiterhin Landtagsabgeordneter Alfons Gerling (CDU), der bereits mit Kultusminister Jürgen Banzer (CDU) in dieser Sache im Gespräch ist. Gestern konnte er allerdings von keinem neuen Stand der Dinge berichten. «Ich hoffe, dass in Kürze eine Entscheidung getroffen wird. Jürgen Banzer ist um eine Lösung bemüht», so Gerling.

Falls das Kultusministeriums auch in den kommenden Tagen keine Regung zeigt, möchten die Schüler der Robert-Koch-Schule bis Ende nächster Woche weiterhin für Patricia Schütze demonstrieren. «Danach sollte der Unterricht wieder aufgenommen werden, damit für die Schüler nicht allzu viele Stunden ausfallen. Wir geben aber nicht die Hoffnung auf, dass sich bis dahin endlich etwas tut», so Manuela Lauber. shs