Höchst. „Seit Jahren schreibe ich nur Einsen und Zweien in Mathematik,
sogar in der Probe-Abschlussklausur hatte ich eine Zwei“, sagt Tatjana Cizerle, die die Robert-Koch-Schule besucht und gerade ihre Mittlere
Reife macht. Bei der Abschlussklausur am 19. Mai haben der 16-Jährigen ihre mathematischen Fähigkeiten nichts genützt: „Ich bin knapp an
einer Fünf vorbeigeschrammt.“
Schuld an ihrem schlechten Abschneiden sind Tatjanas
Ansicht nach die Aufgaben, die bei der hessenweit standardisierten Klausur zu lösen waren: „Wir haben mit unserer Lehrerin 21 Themen
durchgenommen, von denen gerade mal zwei drankamen“, sagt die Schülerin, deren Notendurchschnitt sich wegen der Klausur so stark
verschlechtert hat, dass sie vielleicht keine gymnasiale Oberstufe mehr besuchen kann. „Ich brauche einen Schnitt von 2,75, um aufs
Gymnasium gehen zu können – nur wenn ich eine Eins in Physik kriege, kann ich den noch erreichen.“
Tatjana ist nicht die einzige Schülerin, deren Mathenote sich wegen der Abschlussklausur verschlechtert hat:
14 von 25 Schülern in der 10 a sackten in der Klausur um zwei Notenpunkte ab: Es gab zehn Fünfen und Sechsen, der Klassendurchschnitt
lag bei 4,1. In den Parallelklassen und vielen anderen Realschulen Hessens sieht es nicht besser aus: Auf vielen Prüfungszeugnissen, die
vergangene Woche ausgehändigt wurden, steht eine schlechte Prüfungsnote im Fach Mathematik.
Bei einem Treffen verfassten Frankfurter Fachlehrer daher ein Schreiben ans Hessische Kultusministerium. Darin bitten sie darum, den Bewertungsmaßstab
an die Ergebnisse anzupassen. Kultusministerin Karin Wolff (CDU) lehnt das aber mit der Begründung ab, mit einer Anpassung gehe die
Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse verloren.
„Eine Abschlussprüfung müsste so
konzipiert sein, dass ein Schüler, der sich einigermaßen vorbereitet hat, die Aufgaben lösen kann“, sagt Gisela Steinberg, die die 10 a der
Robert-Koch-Schule unterrichtet. Schon die Zeitvorgabe von 90 Minuten sei ein Problem
gewesen: „Die Klausur bestand aus zwölf Seiten, allein um die Aufgaben zu lesen, brauchten die Schüler eine halbe Stunde“, sagt die
Pädagogin. Sie hätte den Prüflingen für eine Klausur diesen Umfangs mindestens 135 Minuten Zeit gelassen, so viel wie bei der
standardisierten Englischprüfung. Auch die für die Schüler ungewohnten Aufgabenstellungen hätten zu schlechten Zensuren beigetragen:
Es gab viele Textaufgaben, die die Schüler – ganz unabhängig vom Rechnen – verstehen mussten. „Wenn man die Frage nicht
verstanden hatte, konnte man die ganze Aufgabe nicht lösen“, sagen die Klassensprecher Robert Wittmann und Sascha Sturm.
Die beiden Schüler haben im Namen der 10 a ein Schreiben mit der Bitte um positivere Bewertung der Klausur
an die hessische Kultusministerin Karin Wolff geschickt. Die Rückendeckung ihrer Mathelehrerin haben sie: „Die Schüler haben sich bemüht
und gearbeitet bis zur letzten Stunde – dass das jetzt das Ergebnis sein soll, ist bitter“, sagt Gisela Steinberg mit Blick auf die
Prüfungsergebnisse. Sie habe die Schüler intensiv vorbereitet, auch mit Hilfe von Abschlussklausuren aus den vergangenen Jahren. „Wenn die
Klausuren nach all der Mühe so schlecht bewertet werden, vermitteln wir den Schülern nur eines: Dass es sich nicht lohnt, zielstrebig auf
etwas hinzuarbeiten.“ (chc)