Offene Türen für Kinder in Not
Rabiya Gevrek, Serap Öztas und Dilek Karahan waren gestern zu dritt unterwegs, um Geschäftsleute für die Aktion zu gewinnen.
Foto: Hans Nietner
Von Elisabeth Hofmann-Matthes
Höchst."Ich erinnere mich noch gut, wie ich auf dem Weg zur Schule hingefallen
bin. Richtig auf den Kopf gefallen. Ich lag da, aber keiner hat mir geholfen." Auch wenn die Erinnerungen der
Schülerin Stephanie schon eine Zeit zurück liegen, kann sich die Elfjährige noch gut an die Situation
erinnern. Zurückgeblieben ist ein mulmiges Gefühl und die große Frage: An wen können sich Kinder
auf offener Straße wenden, wenn sie Hilfe brauchen?
Während in mittlerweile 17 Frankfurter Stadtteilen das Sicherheitsprojekt "Noteingang" als Gemeinschaftsprojekt
des Präventionsrats, der Stadt Frankfurt und der Polizei installiert wurde, fehlten in Höchst bislang solche
mit Aufkleber gekennzeichneten Anlaufstellen für Kinder. Gleichzeitig ist das Bild, das die Kinder von ihrem Stadtteil
haben, nicht durchweg positiv. "Wenn Kindern hier etwas passiert, hilft einem keiner. Stattdessen wird man höchstens
ausgelacht", meint die dreizehnjährige Rabiya. "Das ist wirklich keine soziale Gegend hier."
Das soll sich nun ändern. 18 Robert-Koch-Schüler der Klassen sechs bis acht widmen sich derzeit der Aktion
und suchen Teilnehmer und somit Noteingänge für Kinder im Stadtteil. In Höchst wird das Projekt damit
erstmalig nicht nur für, sondern gleichzeitig von Kindern umgesetzt.
Wer nimmt sich Zeit?
"Wenn es doch um Kinder geht, dann sollten die Kinder auch einbezogen werden", meint Lehrerin Barbara Gärtner.
Sie hat die Aktion zur laufenden Projektwoche an der Realschule angeboten. Mit Postern und Informationsmaterialien
ausgestattet, machten sich die Schüler gestern erstmals auf den Weg durch die Höchster Straßen.
Werden die Geschäftsleute Verständnis für ihr Anliegen haben? Werden sie sich Zeit nehmen?
Nicht zu hoch hatten die Kinder ihre Erwartungen gehängt. Und tatsächlich landeten sie längst nicht
in jedem Laden einen Erfolg. Als unüberwindbare Hürde stellte sich in zahlreichen Fällen der fehlende
Chef im Haus heraus. Doch auch wenn der Inhaber höchstpersönlich im Geschäft angetroffen wurde, mussten
die Kinder feststellen, dass das Projekt "Noteingang" zwar zumeist bekannt, aber längst nicht immer erwünscht
ist. "Wir helfen Kindern auch ohne Aufkleber", haben einige Geschäftsleute abgewunken. Für andere ist der
Noteingang-Aufkleber, der bei Teilnahme gut sichtbar angebracht werden soll, ein Hinderungsgrund.
Doch es gab auch Erfolgserlebnisse, welche die Schüler motivierten, ihre Aktion weiterzuverfolgen. Für Klaus
Vorpahl von der Buchhandlung Bärsch ist es eine "Selbstverständlichkeit", Kindern zu helfen, wenn sie in
Not sind. "Ansonsten werden die Kinder bewegungsunfähig, bleiben zu Hause und verlieren ihr Selbstbewusstsein",
meint Vorpahl. Auch wenn der Buchhändler "Probleme damit hat, den Aufkleber auf dem Schaufenster zu platzieren",
fand sich doch ein passendes Eckchen an der Außenwand. Auch im Papierladen in der Hostatostraße können
Kinder gewiss sein, Hilfe zu bekommen. Inhaberin Satu Siebenhaar hat sich zur Teilnahme entschlossen.
Aufkleber reicht nicht
Sie zweifelt allerdings, ob ein Aufkleber ausreicht, um den Kindern im Notfall wirklich helfen zu können. "Kinder
sollten eine Art Ausweis mitführen, auf der eine Telefonnummer für den Notfall angegeben ist", regt Satu
Siebenhaar an. Sie hatte bereits vor ihrer offiziellen Teilnahme am Projekt "Noteingang" geholfen, als sich Kinder in
ihren Laden geflüchtet hatten, weil sie von einem Unbekannten verfolgt worden waren. Siebenhaar hatte daraufhin
die Polizei eingeschaltet. Die jedoch konnte nicht einschreiten, da der Verfolger zwar bekannt gewesen sein soll, sich
aber nichts hatte zuschulden kommen lassen. Dass die verängstigen Kinder daraufhin ihren Heimweg ohne Begleitung
antreten mussten, stimmt Siebenhaar nachdenklich.
Interessenten können sich telefonisch in der Geschäftsstelle des Präventionsrates unter der Nummer
(0 69) 21 23 54 43 oder 21 24 49 05 informieren.
hv