Höchster Kreisblatt vom 21.09.2011

Offene Türen für Kinder in Not




Rabiya Gevrek, Serap Öztas und Dilek Karahan waren gestern zu dritt unterwegs, um Geschäftsleute für die Aktion zu gewinnen.

Foto: Hans Nietner


Von Elisabeth Hofmann-Matthes

Höchst."Ich erinnere mich noch gut, wie ich auf dem Weg zur Schule hingefallen bin. Richtig auf den Kopf gefallen. Ich lag da, aber keiner hat mir geholfen." Auch wenn die Erinnerungen der Schülerin Stephanie schon eine Zeit zurück liegen, kann sich die Elfjährige noch gut an die Situation erinnern. Zurückgeblieben ist ein mulmiges Gefühl und die große Frage: An wen können sich Kinder auf offener Straße wenden, wenn sie Hilfe brauchen?

Während in mittlerweile 17 Frankfurter Stadtteilen das Sicherheitsprojekt "Noteingang" als Gemeinschaftsprojekt des Präventionsrats, der Stadt Frankfurt und der Polizei installiert wurde, fehlten in Höchst bislang solche mit Aufkleber gekennzeichneten Anlaufstellen für Kinder. Gleichzeitig ist das Bild, das die Kinder von ihrem Stadtteil haben, nicht durchweg positiv. "Wenn Kindern hier etwas passiert, hilft einem keiner. Stattdessen wird man höchstens ausgelacht", meint die dreizehnjährige Rabiya. "Das ist wirklich keine soziale Gegend hier."

Das soll sich nun ändern. 18 Robert-Koch-Schüler der Klassen sechs bis acht widmen sich derzeit der Aktion und suchen Teilnehmer und somit Noteingänge für Kinder im Stadtteil. In Höchst wird das Projekt damit erstmalig nicht nur für, sondern gleichzeitig von Kindern umgesetzt.

Wer nimmt sich Zeit?


"Wenn es doch um Kinder geht, dann sollten die Kinder auch einbezogen werden", meint Lehrerin Barbara Gärtner. Sie hat die Aktion zur laufenden Projektwoche an der Realschule angeboten. Mit Postern und Informationsmaterialien ausgestattet, machten sich die Schüler gestern erstmals auf den Weg durch die Höchster Straßen. Werden die Geschäftsleute Verständnis für ihr Anliegen haben? Werden sie sich Zeit nehmen?

Nicht zu hoch hatten die Kinder ihre Erwartungen gehängt. Und tatsächlich landeten sie längst nicht in jedem Laden einen Erfolg. Als unüberwindbare Hürde stellte sich in zahlreichen Fällen der fehlende Chef im Haus heraus. Doch auch wenn der Inhaber höchstpersönlich im Geschäft angetroffen wurde, mussten die Kinder feststellen, dass das Projekt "Noteingang" zwar zumeist bekannt, aber längst nicht immer erwünscht ist. "Wir helfen Kindern auch ohne Aufkleber", haben einige Geschäftsleute abgewunken. Für andere ist der Noteingang-Aufkleber, der bei Teilnahme gut sichtbar angebracht werden soll, ein Hinderungsgrund.

Doch es gab auch Erfolgserlebnisse, welche die Schüler motivierten, ihre Aktion weiterzuverfolgen. Für Klaus Vorpahl von der Buchhandlung Bärsch ist es eine "Selbstverständlichkeit", Kindern zu helfen, wenn sie in Not sind. "Ansonsten werden die Kinder bewegungsunfähig, bleiben zu Hause und verlieren ihr Selbstbewusstsein", meint Vorpahl. Auch wenn der Buchhändler "Probleme damit hat, den Aufkleber auf dem Schaufenster zu platzieren", fand sich doch ein passendes Eckchen an der Außenwand. Auch im Papierladen in der Hostatostraße können Kinder gewiss sein, Hilfe zu bekommen. Inhaberin Satu Siebenhaar hat sich zur Teilnahme entschlossen.

Aufkleber reicht nicht


Sie zweifelt allerdings, ob ein Aufkleber ausreicht, um den Kindern im Notfall wirklich helfen zu können. "Kinder sollten eine Art Ausweis mitführen, auf der eine Telefonnummer für den Notfall angegeben ist", regt Satu Siebenhaar an. Sie hatte bereits vor ihrer offiziellen Teilnahme am Projekt "Noteingang" geholfen, als sich Kinder in ihren Laden geflüchtet hatten, weil sie von einem Unbekannten verfolgt worden waren. Siebenhaar hatte daraufhin die Polizei eingeschaltet. Die jedoch konnte nicht einschreiten, da der Verfolger zwar bekannt gewesen sein soll, sich aber nichts hatte zuschulden kommen lassen. Dass die verängstigen Kinder daraufhin ihren Heimweg ohne Begleitung antreten mussten, stimmt Siebenhaar nachdenklich.

Interessenten können sich telefonisch in der Geschäftsstelle des Präventionsrates unter der Nummer (0 69) 21 23 54 43 oder 21 24 49 05 informieren. hv