Die Judenverfolgung lässt die 10b nicht kalt

Höchst. Das Erste, was den Schülern der Klasse 10 b der Robert-Koch-Schule zum historischen Datum 9. November einfällt, ist der Fall der Mauer. Stichwörter wie die Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende der Trennung Europas nennen sie. Bis ihnen die Reichspogromnacht vom 9. und 10. November 1938 einfällt, muss ihnen die Geschichts- und Erdkundelehrerin Gudrun Kraus ein wenig auf die Sprünge helfen. Dann entwickelt sich eine lebhafte Diskussion, in deren Mittelpunkt der Film «Rosenstraße» von Margarethe von Trotta steht.

Den hatten sich nämlich am Vortag drei Klassen der Robert-Koch-Schule im Filmforum Höchst angeschaut. Mit der Filmreihe zum Thema Judenverfolgung und Drittes Reich beteiligt sich das Kino an den Veranstaltungen zum Gedenktag an das Novemberpogrom.

Die Meinungen über den Film gehen weit auseinander. «Der Film ist schlecht gemacht, gerade für ein so wichtiges Thema. Es wird viel zu wenig von der Umgebung gezeigt. Ich fand ,Der Pianist‘ oder ,Der Untergang‘ besser», sagt Andy, der sich zudem darüber wundert, dass die jüdischen Männer in dem Film beinahe respektvoll behandelt wurden. Aus anderen Filmen und Büchern weiß er, dass die Nationalsozialisten mit Juden wesentlich brutaler umgingen. «Das Wichtigste, der Aufstand, kam im Film viel zu kurz», sagt Boris. Eva findet hingegen, dass die Zuschauer viel über die Zeit – der Film spielt im Berlin des Jahres 1943 – erfahren haben. Allerdings kritisiert sie, dass der Film zu lange gedauert hat – immerhin 136 Minuten. «Zum Schluss wurde es unruhig im Kino.»

Die Hauptrolle kommt den Frauen zu. Sie sind «Arierinnen» und mit Juden verheiratet, die festgenommen wurden. Vor dem Gefängnis in der Rosenstraße demonstrieren die Frauen so lange, bis ihre Männer frei kommen. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte.

«Ohne die Frauen wären die Männer nie befreit worden», sagt Eva, die vom Einsatz der Frauen beeindruckt ist. «Heute hätten die Frauen gar nicht den Mut dazu, so etwas zu tun.» Liebe, so ihre Erklärung, sei damals wohl wichtiger als heute gewesen. Während die Nazis den Hass auf alles Jüdische predigten, habe es doch Liebe zwischen Christen und Juden gegeben, hält Andy fest.

Die meisten Schüler sind eifrig bei der Sache. Das Thema lässt sie nicht kalt. Sie wissen, dass früher auch in Höchst Juden lebten und verfolgt wurden, dass die Synagoge zerstört wurde, dass das Kaufhaus der jüdischen Familie Schiff «arisiert» wurde und dass nun eine Gedenkplakette daran erinnert. Ein Teil der Schüler hat im Jüdischen Museum in Frankfurt mit Zeitzeugen diskutiert. Im nächsten Jahr will Kraus mit ihren Schülern das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald besuchen.

Die Schüler aus den unteren Klassen, das weiß die Pädagogin aus ihrer langjährigen Berufserfahrung, hätten zwar naturgemäß ein Informationsdefizit, zeigten sich aber ebenfalls sehr interessiert an dem Thema und insbesondere an der Frage: «Wie konnte das passieren?» Eine solche Frage lasse sich weder mit einem Satz noch in einer Schulstunde beantworten, sagt die Lehrerin. Aber vielleicht nähern sich Schüler und Lehrer der Robert-Koch-Schule ja im Laufe der Jahre einer Antwort. Die vielfältigen Angebote der Schule geben zumindest Anlass zur Hoffnung. (öp)